Fritz Koller

"Zeichungen aus der Verlassenschaft des Gugginger Künstlers" Geboren 1929 – gestorben 1994
29.06.2005 bis 04.08.2005



Halluzinatorischer Stil und ursprüngliche Kunst

Fritz Koller lebte seit mehr als vierzig Jahren in unserem Krankenhaus. In Zuständen halluzinatorischer Erregung, innerer Bedrohung und Spannung war er imstande, Zeichnungen von großer Expressivität herzustellen. Die figuralen Schemata wurden dabei deformiert, lösten sich auf, zerfielen; einzelne Teile wurden übermäßig groß, andere schrumpften zusammen oder fehlten; sie konnten auch an falsche Stellen gesetzt, verdoppelt oder vervielfacht werden. Die Zerstückelung ist der höchste Grad der Deformation; sie ist sehr deutlich in vielen seiner Zeichnungen.

Die Deformation steigerte den Anmutungswert des Gegenstandes, seine physiognomischen Valenzen. Kräftige Konturierungen, geometrische Liniengefüge und gleichförmige Wiederholungen wirken dem Physiognomischen entgegen und entsprechen einer Ordnungstendenz.

Fritz Koller hat nahezu ausschließlich Bleistiftzeichnungen geschaffen und nur selten Farben verwendet. Für den Ungeübten ist auf bildnerischem Gebiet mit den einfachsten Mitteln, d.h. vor allem mit dem Bleistift, am ehesten eine künstlerisch interessante Äußerung möglich.

Was wir in den Zeichnungen von Fritz Koller an neuen Formen finden, wurde in seinem eigenen Bewusstsein erzeugt. Es entsprang keinen ästhetischen Überlegungen und war ohne künstlerische Vorbilder entstanden. Fritz Koller ist ein typischer Vertreter von Art brut im Sinne der Definition Dubuffets. Bei einem Berufskünstler ist es oft sehr schwer, zu sagen, was er übernommen hat und was eigenen schöpferischen Prozessen entstammt. Der Art-brut-Künstler zeichnet sich dadurch aus, dass alles an seiner Kunst ganz aus Eigenem stammt.

Die Historizität des Kunstwerkes ist eben in erster Linie eine Historizität der Rezeption und ist vom Bewusstsein des Schaffenden und dessen Absichten erst in zweiter Linie oder, wie im Falle von Art brut, überhaupt nicht abhängig.

Leo Navratil

Fritz Koller
1929 geboren in Wolfpassing (NÖ)
1946 zum 1. Mal in psychiatrischer Behandlung
1950 ab diesem Zeitpunkt hospitalisiert
1994 gestorben im Haus der Künstler in Gugging

1980 Kunstamt Wedding, Berlin
1982 Galerie Heike Curtze, Wien
1983 Museum des 20. Jahrhunderts, Wien
Salzburger Landessammlungen Rupertinum
1984 Kunstamt Wedding, Berlin
Heidelberger Kunstverein
Staatliche Kunstsammlungen Kassel
1985 Aarauer Kunsthaus, Aarau, Schweiz